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Pfarrer Heinz Welke

Das Schweigen der Retter

Wer zur NS-Zeit jüdischen Menschen half, sprach später nicht davon

Pfarrer Heinz Welke hat im Nationalsozialismus vielen Jüdinnen und Juden das Leben gerettet. Darüber geredet hat der Theologe, der bis 1976 Pfarrer in Niederrad war, nie.

Der evangelische Pfarrer Heinz Welke riskierte während des Nationalsozialismus sein Leben, um das vieler Juden und Jüdinnen zu retten. Darüber gesprochen hat er später so gut wie nie. Auch in der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Niederrad, wo er von 1945 bis zu seiner Pensionierung 1976 amtierte, wussten die wenigsten von seinem furchtlosen Widerstand. Dieses „Schweigen der Retter“ ist ein verbreitetes Phänomen, das eine Diskussion in der Katharinenkirche zu ergründen suchte. Sie bildete den Abschluss einer zum 100. Geburtsjahr von Welke gezeigten Ausstellung.

Welkes 1946 geborener Sohn Dieter führte die Verschlossenheit seines Vaters auf mehrere Ursachen zurück. Zum einen sei ihm „das konspirative Verhalten in Fleisch und Blut übergegangen“. Im Familienkreis habe er zwar von einigen Rettungsaktionen berichtet, aber niemals Namen genannt oder Vorgänge detailliert beschrieben. Zudem habe in der Nachkriegsära ein „allgemeines Schweigen über den Holocaust“ geherrscht, galten „die Leute im Widerstand als Landesverräter“. Dieter Welke erinnert sich noch gut an die emotionale Zerrissenheit seines Vaters. Er sei „jedes Mal zusammengebrochen“, wenn die Rede auf die Deportationszüge kam. Zudem habe er sich zeitlebens vorgeworfen, zu wenig getan zu haben.

Der Frankfurter Professor für Erziehungswissenschaft, Micha Brumlik, erkennt in den Schilderungen Ähnlichkeiten zum Verhalten seiner Eltern. Die hatten durch die Flucht in die Schweiz den Holocaust überlebt, davon aber ebenfalls wenig erzählt und nie konkrete Personen erwähnt. Dieses Schweigen kann sich Brumlik nur durch schwer nachvollziehbare „Schamschranken“ erklären. Die hätten auch dafür gesorgt, dass das Thema in Deutschland lange ignoriert worden ist. Dabei sei ab den 1960er Jahren durch den Eichmann-Prozess in Israel und den Auschwitz-Prozess der Mantel des Schweigens gewichen.

Für Stadtkirchenpfarrer Werner Schneider-Quindeau tat er das nur bedingt. Die Retter seien erst in den späten 1980er Jahren in den Blick gerückt. Weit zurück reiche auch die „Opfervergessenheit“. Schneider-Quindeau wies auf die zahlreichen Christen und Christinnen jüdischer Herkunft hin, die von der evangelischen Kirche während des Nationalsozialismus ausgestoßen wurden. Allein in der Katharinengemeinde seien rund 150 Menschen davon betroffen gewesen.

Dass in der Öffentlichkeit namentlich für die Retter wenig Aufmerksamkeit existiert, liest der Sachbuchautor Dieter Maier am verhaltenen Echo ab. Auch das Interesse an der Ausstellung sei gering gewesen. Nach Wissen des Philosophen wurde in Deutschland auch nie eine dezidierte „Retterforschung“ auf den Weg gebracht. Lediglich in Berlin habe man 2008 unter dem Namen „Stille Helden“ eine Gedenkstätte für die couragierten Helferinnen und Helfer errichtet.

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