Die Anfänge
Die evangelische Paul-Gerhardt-Gemeinde ist nach Paul-Gerhardt (1607-1676) benannt, einem der bedeutendsten Dichter evangelischer Kirchenlieder.
Der Ort Niederrad wird erstmals 1151 urkundlich erwähnt. Er gehörte zur Pfarrei Schwanheim, bis die Reformation die kirchliche Situation änderte. Zwei Herren, der katholische Deutsche Orden und die lutherische Stadt Frankfurt, hatten ab 1569 in Niederrad abwechselnd das Sagen. Die evangelischen Christen mussten zum Gottesdienstbesuch über den Main übersetzen, sie waren der Gutleutkirche zugeteilt.
Erst 1608 wurde in Niederrad eine kleine evangelische Kirche (ein Fachwerkbau) errichtet, in der allerdings nur Sonntagsschule und Kinderlehre abgehalten werden durfte. Mit dem Bau der Kleinen Kirche 1726 änderte sich hinsichtlich der erlaubten Nutzung wenig. Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts durften in der Kleinen Kirche regelmäßig Gottesdienste gehalten werden. 1812 wurde eine Schule und eine Pfarrwohnung (heute Pfarrhaus Kelsterbacher Straße 39) gebaut.
Die Gemeinde im 20. Jahrhundert
Im Jahre 1926 feierte die evangelische Kirchengemeinde von Niederrad ein großes Fest - die Kleine Kirche in der Kelsterbacher Straße war 200 Jahre alt. Aus diesem Anlass gab man ihr einen Namen: "Paul-Gerhardt-Kirche", und die Gemeinde erhielt denselben Namen.
Die Anzahl der evangelischen Christen in Niederrad war inzwischen beträchtlich gewachsen. Die vorhandenen Räumlichkeiten reichten nicht mehr aus. 1929 wurde der Grundstein für ein neues Gemeindehaus in der Gerauer Straße gelegt. Das im Stil der Frankfurter Moderne errichtete Gebäude diente nach seiner Fertigstellung im Herbst 1930 bei Konfirmationen und an den hohen Festtagen auch als Gottesdienstraum. Der große Kirchsaal war multifunktional gestaltet und konnte so auch für Theateraufführungen genutzt werden.
Kirchenkampf
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen waren, bildeten sich innerhalb der evangelischen Kirche Kreise, die die neuen Herren unterstützen (Die Deutschen Christen). Andere, die den neuen Machthabern kritisch gegenüber standen, schlossen sich in der Bekennenden Kirche und Landesbruderräten zusammen. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen. Auch die Paul-Gerhardt-Gemeinde blieb von diesen nicht verschont. Die Pfarrer waren mehrheitlich der Bekennenden Kirche beigetreten. Im Kirchenvorstand hatten NSDAP Mitglieder aufgrund einer von den Nationalsozialisten erzwungenen Einheitsliste nach den Kirchenvorstandswahlen 1933 die absolute Mehrheit.
Die Zeit des Kirchenkampfes in Niederrad wurde im Rahmen des Projektes „Geschichtswerkstatt Niederrad“ dokumentiert und in der Broschüre "Von Kirchturm zu Kirchturm" 1988 veröffentlicht.
Nach dem zweiten Weltkrieg
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wuchs die Gemeinde rasch. Flüchtlinge und Vertriebene fanden Wohn- und Lebensraum in den eilends errichteten Siedlungshäusern in der Miersch-Siedlung, der Jugenheimer Straße, der Heinrich-Seliger-Straße und der Gerauer Straße. Schließlich hatte die Paul-Gerhardt-Gemeinde mehr als 13.000 Mitglieder. So wurde 1965 beschlossen, die Gemeinde zu teilen. Der Südteil behielt den Namen Paul-Gerhardt-Gemeinde, die Gemeinde im Norden Niederrads nahm den Namen Zachäusgemeinde an. Die beiden Gemeinden entwickelten im Laufe der Jahre eigene Profile und setzten unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Arbeit.
Ab Mitte der siebziger Jahre nahm die Anzahl der evangelischen Christen in Niederrad stetig ab. Entsprechend sanken die Zuweisungen der Landeskirche aus Kirchensteuermitteln. Pfarrstellen und Stellen hauptamtlicher MitarbeiterInnen wurden gestrichen, ebenso waren Einsparungen bei Gebäuden nötig. Eine sinnvolle Antwort auf diese Entwicklung sahen die Kirchenvorstände beider Gemeinden darin, intensiver zusammen zu arbeiten und letztendlich wieder zu einer Gemeinde zusammenzuwachsen.
Die Gemeinden fusionierten schließlich im Jahre 1999, und die neue Gemeinde behielt ihren ursprünglichen Namen: "Evangelische Paul-Gerhardt-Gemeinde".
Die Gemeinde ab dem Jahr 2000 bis heute
Nach der erfolgreichen Fusion der beiden Niederräder Gemeinden hat sich der Kirchenvorstand intensiv damit befasst, ein zukunftsfähiges und finanzierbares Gebäudekonzept zu erstellen. Das Gemeindehaus der ehemaligen Zachäusgemeinde im Mainfeld 6 wurde an die Stadt veräußert und das Gemeindehaus in der Gerauer Straße in ein Kinder- und Jugendhaus umgebaut. Seit 2009 sind hier eine Kindertagesstätte und die Offene Jugendarbeit untergebracht.
Dank der Spendenbereitschaft der Gemeindemitglieder konnte bei der Kleinen Kirche 2005 eine Innenrenovierung und 2007 eine Außenrenovierung durchgeführt werden. Seit dem Frühsommer 2012 wird das bis dahin unter dem Namen "Kirche Gerauer Straße" im Stadtteil bekannte Gebäude zu einem modernen, behindertengerechten Gemeindezentrum mit großem Kirchsaal umgebaut. Mit der Initiative "pggliebhabergesucht" wirbt die Gemeinde um Spendengelder zur Mitfinanzierung der Umbaukosten. Die festliche Einweihung erfolgte nach Abschluss der Arbeiten am 14. September 2014.
Ein Förderverein für Kinder und Jugendliche wurde 2008 ins Leben gerufen. Er ermöglicht es, besondere Angebote für Kinder und Jugendliche zu machen. Die 2009 gegründete „Diakonische Bürgerstiftung Niederrad“ vertritt die Bedürfnisse der älteren oder behinderten Mitbürger/innen und bietet kulturelle Veranstaltungen an.
Es ist erfreulich, dass sowohl für den Bereich Erwachsenen-/Seniorenarbeit als auch für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit seit kurzem in Kooperation mit zwei weiteren evangelischen Nachbargemeinden zwei Gemeindepädagogen eingestellt werden konnten.